Trockenfutter

Kritisch reflektieren und Deklarationen verstehen

09. April 2023 • 6 Minuten Lesedauer 

Aus dem Humanbereich wissen wir, je mehr ein Nahrungsmittel verarbeitet wurde, umso ungesünder ist es. Bei den meisten Hunden landet hoch verarbeitetes Trockenfutter im Napf. 
Kann das gesund sein? 

Fertigfutter ist eine Milliardenindustrie. Abfälle aus der menschlichen Nahrungsproduktion werden gewinnbringend verkauft. Die Industrie produziert nicht mit dem Gedanken der Hundeliebe sondern der Wirtschaftlichkeit. Minderwertige Futtermittel, bedenkliche Inhaltsstoffe, Fütterungsfehler und Nährstoffmängel wirken sich direkt auf die Hundegesundheit und das Wohlbefinden des Hundes aus. Sie sind die häufigste Ursache für die Entstehung von Krankheiten. Selbstverständlich ist ein Trockenfutter so zusammengesetzt, dass es den Hund am Leben hält. Und sicher gibt es irgendwo diesen Hund, der mit Trockenfutter 15 Jahre alt geworden ist. Es gibt auch diesen einen Bekannten, der sein ganzes Leben lang Cola getrunken, geraucht hat, nie Sport trieb und sich am liebsten von Fastfood ernährte, der steinalt wurde.

Stellen wir uns die Frage, was hat die Natur vorgesehen und was möchten wir für unsere Hunde? Denn unsere Hunde haben keine Wahl. Wir treffen die Entscheidung für sie. 


Artgerechte Ernährung was bedeutet das eigentlich? 

Artgerecht ist die Ernährung, die der Physiologie und der Evolution am nächsten kommt. Hunde sind über eine lange Evolution darauf spezialisiert Beutetiere zu fressen. Die gesamte Anatomie & Physiologie des Hundes ist darauf ausgerichtet Fleisch zu fressen. Von den Zähnen, der Speiseröhre, über den Magen und vor allem der Magensäure, bis zur Länge des Darms.


Was ist drin im Trockenfutter? 

In Trockenfutter sind meist um die 50 % Kohlenhydrate enthalten. 10 % von der Gesamtfuttermenge wären unbedenklich. Kohlenhydrate begünstigen die Entstehung von Zahnstein, Magendrehungen und Dysbiosen (Ungleichgewicht der Mikrobiota im Darm). Sie dienen einigen Endoparasiten wie Giardien als optimale Nahrungsgrundlage. Alle Nährstoffe in Pflanzen sind für Hunde erstmal nicht bioverfügbar, da sie keine Zellwände aufspalten können. Wären die pflanzlichen Bestandteile im Trockenfutter nicht hocherhitzt und verarbeitet, könnten Hunde diese Nahrung gar nicht verstoffwechseln. 

Je weiter wir uns von der Natur wegbewegen, desto mehr muss zugesetzt werden. Damit Hunde mit Trockenfutter überleben können, landen einige Zusatzstoffe im Futter. Die Nährstoffe in Trockenfutter sind grundsätzlich künstlich hinzugefügt. Synthetische Vitamine wirken nicht annähernd so wie natürliche Vitamine. Je näher ein Stoff biologisch dem des Körpers ist, desto höher die Bioverfügbarkeit. Vitamin A aus Leber hat eine ganz andere biologische Wertigkeit als synthetisches Vitamin A.

Genauso ist es beim Protein. Je ähnlicher ein Protein der körpereigenen Eiweißstruktur ist, umso hochwertiger verdaulich ist es. Häufig werden minderwertige, schwer verdauliche Proteine aus tierischen Nebenerzeugnissen und pflanzliche Proteine (Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Soja) genutzt. Es findet eine Verschiebung der Verdauung in den Dickdarm statt. So entstehen Stoffwechselnebenprodukte wie zum Beispiel Ammoniak, die über Leber und Niere ausgeschieden werden müssen und zu einer übermäßigen Belastung der Organe führen. 

Farb- und Aromastoffe werden hinzugefügt, um das Futter attraktiv für den Hund zu machen. Auch Verdaulichkeitsförderer oder Darmflorastabilisatoren werden hinzugegeben, um den Kot zu formen und Durchfall zu unterdrücken. Die Symptome eines Problems im Darm werden so unterdrückt, die Ursache bleibt bestehen. Eine lange Liste an Kräutern liest sich gut und hört sich gesund an. Häufig sind darunter auch Heilkräuter, die ohne Indikation und als Dauergabe nichts im Futter zu suchen haben. Durch die Zugabe von gesundheitsgefährdenden Konservierungsstoffen ist das Trockenfutter zu guter letzt dann 24 Monate haltbar. 


Exkurs: Trockenfutter beim Welpen

Möchte ein Hundehalter seinen Welpen oder Junghund auf BARF umstellen, schlagen einige Züchter und Tierärzte die Hände über dem Kopf zusammen und argumentieren, aus Sicherheit solle erst Fertigfutter gefüttert werden, später könne der Hund auf BARF umgestellt werden. Doch auf welcher Grundlage basiert diese Argumentation? 

Im Welpenalter werden die Weichen für die Zukunft gelegt. Gesundes, frisches Futter ist die Basis für eine gesunde Entwicklung. Würde im Humanbereich jemand auf die Idee kommen Kinder zur Sicherheit mit Fertigprodukten groß zu ziehen und um die Nährstoffversorgung sicherzustellen einen Komplex synthetischer Vitamine & Mineralstoffe verabreichen? Auch wenn wir in die Natur blicken, gibt es dort kein Welpenfutter und die Evolution zeigt, Tierkinder überleben. Das ist bei Hunden nicht anders. Welpen nehmen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht ganz einfach wesentlich mehr Futter zu sich. Eine höhere Futtermenge liefert mehr an allen Nährstoffen Calcium, Vitaminen usw. 

Des Weiteren enthalten Trockenfutter einen nicht unerheblichen Kohlenhydratanteil. Die Fähigkeit Amylase (Verdauungsenzyme zur Aufspaltung von Kohlenhydraten) zu produzieren, ist beim Welpen bis zur 16. Lebenswoche eingeschränkt. Also warum Kohlenhydrate füttern, wenn der Welpe diese gar nicht verarbeiten kann? 

Die Fütterung von Fertigfutter bei Welpen ist meist der Grundstein für die Entstehung von Allergien & Unverträglichkeiten. Im Welpenalter wird die orale Toleranz gebildet. In diesem Prozess lernt der Körper nützliche von schädlichen Nahrungsmitteln, die in den Verdauungstrakt gelangen zu unterscheiden. Es sollten wenige hochverdauliche Nahrungsmittel gefüttert werden, die frei von Zusatzstoffen sind. Denn umso mehr Zutaten auf einmal im kleinen Hundekörper landen, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Allergie gebildet wird. Kann das also mit einem Trockenfutter mit etlichen verarbeiteten & chemisch behandelten Inhaltsstoffen funktionieren?


Ist es sinnvoll dem Hund Fertigfutter zu füttern, damit alle Nährstoffe sicher gedeckt werden? 

Ein Trockenfutter, welches als Alleinfuttermittel deklariert ist, soll alleinig gefüttert bedarfsdeckend sein. Es gibt keine Behörde, die kontrolliert, ob ein Alleinfuttermittel tatsächlich den Bedarf des Tieres deckt. Die Verantwortung liegt alleinig beim Hersteller. Dieser braucht keinerlei Fachwissen zur Konzeption eines Futters. Zudem sehen die Futtermittelverordnungen bei Verstößen keine Sanktionen vor. Dies gibt den Herstellern eine enorme Handlungsfreiheit. Unser Vertrauen beim Kauf gilt alleinig dem Hersteller. 

Hast du schon mal ein Trockenfutter gesehen, dem B-Vitamine zugesetzt werden? Besonders diese fehlen in Fertigfutter im Allgemeinen besonders häufig. B-Vitamine sind hitzeempfindliche Vitamine und werden beim Herstellungsvorgang zerstört. Sie sind insbesondere für den Stoffwechsel und das Nervensystem wichtig.


Kleine Deklarationskunde

Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse In diesem Futter können sämtliche Tierarten enthalten sein. Auch kann die Tierart in der gleichen Futtersorte wechseln, wenn sich bspw. die Rohstoffpreise in der Produktion verschieben. Unter tierischen Nebenerzeugnissen versteht man alle sonstigen Schlachtabfälle neben Fleisch (Hörner, Hufe, Federn...).

Frisches Hühnerfleisch Muskelfleisch vom Huhn

Frisches Hühnchen Alles vom Huhn (Muskelfleisch, Innereien, Krallen, Schnäbel...)

Frisches Geflügelfleisch Muskelfleisch von einer oder mehreren Geflügelarten (Huhn, Pute, Ente...), auch ein Wechsel der Geflügelart ist möglich

Frisch zubereitetes Hühnchenfleisch zubereiteter Fleischbrei, kein frisches Fleisch

Hühnerfleischmehl Fleischmehl aus Hühnermuskelfleisch

Hühnermehl/Hühnerprotein Mehl aus allen Bestandteilen vom Huhn

Tierisches/getrocknetes Protein Mehl aus Schlachtabfällen verschiedener Tiere

Lebensmittelqualität Futtermittel sind grundsätzlich K3-Material. Dazu gehören neben Fleisch auch alle tierischen Nebenerzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. K3-Material darf nicht mehr als Lebensmittel verwendet werden.

Frei von Konservierungsstoffen Der Hersteller hat dem Futter keine Konservierungsmittel zugegeben. Konservierungsstoffe in den einzelnen Rohstoffen müssen jedoch nicht angegeben werden.

Reihenfolge in der Deklaration gibt die enthaltene Menge der Zutat an Ja, aber hier muss beachtet werden, ob frisches Fleisch oder getrocknetes Fleisch deklariert wurde. Frisches Fleisch enthält 70-80 % Wasser. Dieser Verlust an Volumen muss bei der Interpretation berücksichtigt werden. "Frisch" ist in dem Fall nicht gleich besser. Kohlenhydrate werden zudem meist einzeln aufgeführt, damit sie nicht an erster Stelle stehen.



Schauen wir uns die Deklaration von einem Trockenfutter als Beispiel gemeinsam an

Zusammensetzung:
Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse 39 % (Geflügel und Lamm), Reis, Kartoffel, Reismehl, Rübentrockenschnitzel, Hefe, Mineralstoffe

Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse (Geflügel und Lamm) Hier landet wirklich alles vom Lamm und diversen Geflügelsorten im Futter. Die Geflügelsorten können je nach Rohstoffpreis wechseln. Mit tierischen Nebenerzeugnissen sind auch minderwertige Schlachtabfälle wie Federn, Krallen, Schnäbel, Hufe usw. enthalten.

Rübentrockenschnitzel Ein billiger Füllstoff, der bei der Zuckerrübenproduktion als Abfall anfällt. Diese Zutat wird genutzt, um den Hund zum Fressen zu animieren und ist vom Nährstoffgehalt nutzlos für ihn.

Hefe Hefe ist reich an Aminosäuren und B-Vitaminen. Jedoch handelt es sich zum einen um ein potenzielles Allergen an sich. Zum anderen können je nach Herstellungsprozess Spuren von Laktose, Milchprotein, Gerste und anderen Getreidesorten enthalten sein.


Tierärzte, Züchter, Hundetrainer, der Nachbar - beim Thema Hundefütterung hat jeder eine Empfehlung oder einen gut gemeinten Rat

Doch kennen sie sich eigentlich umfassend mit der Ernährung aus? Haben sie die Expertise?Tierärzte sind nicht immer die richtigen Ansprechpartner. Tierernährung im Allgemeinen ist Bestandteil des Studiums der Veterinärmedizin, steht aber nicht im Mittelpunkt. Tierärzte sind für alle möglichen Spezies zuständig. Vom Wellensittich, übers Meerschweinchen, Hund & Katze hin zur Kuh und das auf allen Gebieten, als Allgemeinarzt, Zahnarzt, Gynäkologe, Chirurg usw. Kann vom Tierarzt erwartet werden sich mit der Ernährung aller Spezies in allen individuellen Lebenslagen auszukennen? Eine Umfrage¹ aus 2016 kam zu folgendem Ergebnis:

  • 50 % der Tierärzte sehen sich nicht im Stande adäquat zur Fütterung zu beraten
  • 28 % wenden sich hilfesuchend an die Futtermittelindustrie 
  • 82 % haben nach dem Studium noch nie eine Fortbildung zu dem Thema Fütterung besucht
  • 90 % sagen fütterungsrelevante Themen nehmen zu.




Wie sehr sind wir dafür verantwortlich, dass es unseren Hunden gut geht?
... in vollem Umfang!


Ich lege dir ans Herz, die Fütterung von Fertigfutter zu überdenken. Für eine Futterumstellung ist es nie zu spät. Hab Vertrauen in das eigentlich normalste der Welt, deinen Hund artgerecht, gesund und selbstbestimmt zu ernähren. Ich unterstütze dich auf dem Weg von hoch verarbeiteter Industrienahrung zurück zu lebendiger, intelligenter Nahrung. Mit einem individuell auf deinen Hund abgestimmten Ernährungsplan und allen Informationen, die du benötigst, kann da auch nichts schief gehen. 



Quelle: 
¹ R. Bergler; S. Wechsung; E. Kienzle, T. Hoff; B. Dobenecker (2016): Ernährungsberatung in der Kleintierpraxis – ein Arbeitsfeld für spezialisierte Tierärzte